Abfindung & Aufhebungsvertrag: So holen Sie das Beste für sich heraus
Ein unerwartetes Gespräch. Ein Stapel Papiere. Und plötzlich ist alles anders.
Wenn Arbeitgeber das heiße Wort "Aufhebungsvertrag" ins Spiel bringen oder gar eine betriebsbedingte Kündigung ansteht, schießt vielen ArbeitnehmerInnen sofort der Gedanke durch den Kopf: "Bekomme ich jetzt eine Abfindung? Und wenn ja - wie viel, wie schnell, unter welchen Bedingungen?"
Die Arbeitsrechtsexpertin Simone Weber bringt Licht ins Dunkel. In meinem Interview erklärt sie mit juristischem Feingefühl und klaren Beispielen, was ArbeitnehmerInnen jetzt wissen müssen.
Was ist eine Abfindung überhaupt?
Eine Abfindung ist kein Geschenk, sondern eine einmalige Zahlung des Arbeitgebers für den Verlust des Arbeitsplatzes. Oder wie Simone Weber es formuliert:
"Sie verkaufen faktisch Ihren rechtlichen Bestandsschutz gegen Geld."
Diese Zahlung ist freiwillig, es sei denn, sie ergibt sich aus bestimmten gesetzlichen, vertraglichen oder tariflichen Regelungen.
Kein gesetzlicher Anspruch – wirklich nie?
Doch, es gibt eine einzige gesetzliche Ausnahme:
Nach § 1a Kündigungsschutzgesetz (KSchG) kann es bei einer betriebsbedingten Kündigung eine Abfindung geben, wenn der Arbeitgeber sie explizit anbietet und der/die Arbeitnehmerin keine Klage erhebt.
Faustregel: 0,5 Bruttomonatsgehälter pro Jahr der Betriebszugehörigkeit. Aber: Auch hier kann sich eine Klage lohnen. Häufig ist mehr drin.
Klage oder Kuschelkurs? So entsteht die Abfindung in der Praxis
Wer gegen eine Kündigung vorgeht, klagt nicht auf Abfindung, sondern auf Weiterbeschäftigung. Trotzdem endet die Mehrheit der Verfahren mit einem Vergleich, der eine Abfindung vorsieht. Warum?
Weil Arbeitgeber damit Risiken (Kosten, Rückkehr, Annahmeverzugslohn) minimieren. Und weil Gerichte im Gütetermin genau das forcieren: Einigung statt Eskalation.
Aufhebungsvertrag? Achtung, Sperrzeit!
Wenn Ihnen ein Aufhebungsvertrag vorgelegt wird: Niemals sofort unterschreiben!
Solche Verträge können dazu führen, dass Sie vom Arbeitsamt eine Sperrfrist von bis zu 12 Wochen beim Arbeitslosengeld kassieren. Außer:
- Der Arbeitgeber hat eine betriebsbedingte Kündigung mit Bestimmtheit in Aussicht gestellt
- Die ordentliche Kündigungsfrist wird eingehalten
- Die Abfindung liegt höchstens bei 0,5 Monatsgehältern pro Jahr der Betriebszugehörigkeit
👉 Lassen Sie die Vereinbarung immer anwaltlich prüfen. Die Kosten sind überschaubar, der Nutzen enorm.
Wie hoch kann eine Abfindung sein?
Die Höhe der Abfindung wird verhandelt. Es gibt keinen Automatismus. Allerdings hat sich folgende Faustformel etabliert:
0,5 bis 1,0 x Bruttomonatsgehalt x Jahre der Betriebszugehörigkeit
Wichtige Einflussfaktoren:
- Erfolgsaussichten einer Klage
- Dauer der Betriebszugehörigkeit
- Alter, soziale Umstände, Sonderkündigungsschutz
- Wie sehr fürchtet der Arbeitgeber, Sie wieder einstellen zu müssen?
"Verhandeln ist wie auf dem Bazar", sagt Simone Weber. "Nie selbst als Erste/r eine Zahl nennen!"
Und was ist mit Steuern und Abgaben?
- Sozialabgaben? Nein.
- Steuern? Ja!
Die Abfindung ist steuerpflichtig. Um hohe Nachzahlungen zu vermeiden, gibt es die sogenannte Fünftelregelung zur steuerlichen Entlastung.
Tipp: Vereinbaren Sie, dass die Abfindung erst im Folgejahr ausgezahlt wird, wenn Ihr sonstiges Einkommen geringer ist. Das kann bares Geld sparen. Lassen Sie sich vom Steuerberater beraten!
Top 5 Fehler, die Sie vermeiden sollten
- Aufhebungsvertrag sofort unterschreiben – lieber mitnehmen und prüfen
- Kündigungsfristen abkaufen lassen – gefährdet ALG und bringt rechtliche Risiken
- Keine Rechtsschutzversicherung – klären Sie Ihre Deckung rechtzeitig
- Vertrag ohne Vererblichkeitsklausel – sonst verfällt die Abfindung im Todesfall
- Zeugnisfrage offen lassen – Formulierung vorher festlegen
Häufige Fragen zur Abfindung und Aufhebungsvereinbarung (FAQ)
1. Habe ich bei jeder Kündigung Anspruch auf eine Abfindung?
Nein. Es gibt keinen allgemeinen Anspruch. Eine Abfindung ist Verhandlungssache oder ergibt sich nur in ganz bestimmten Ausnahmefällen, z. B. nach § 1a KSchG.
2. Wie hoch ist eine übliche Abfindung?
Üblich sind 0,5 bis 1,0 Bruttomonatsgehälter pro Jahr der Betriebszugehörigkeit. Die genaue Höhe hängt von der Verhandlung, dem Risiko für den Arbeitgeber und Ihrer Position ab.
3. Was passiert, wenn ich einen Aufhebungsvertrag unterschreibe?
Es kann zu einer Sperrfrist beim Arbeitslosengeld kommen. Unterschreiben Sie niemals spontan, sondern lassen Sie den Vertrag prüfen und verhandeln Sie wichtige Punkte wie Abfindung, Freistellung, Zeugnis, Vererblichkeit.
4. Wann muss ich spätestens klagen?
Innerhalb von drei Wochen nach Zugang der Kündigung. Danach gilt sie als wirksam, selbst wenn sie fehlerhaft war.
5. Verliere ich mein Arbeitslosengeld durch eine Abfindung?
Nicht direkt. Aber bei einem Aufhebungsvertrag droht eine Sperrzeit von bis zu 12 Wochen. Diese kann vermieden werden, wenn bestimmte Voraussetzungen erfüllt sind (z. B. betriebsbedingte Kündigungsandrohung).
6. Was ist der Unterschied zwischen Aufhebungs- und Abwicklungsvertrag?
Beim Aufhebungsvertrag wird das Arbeitsverhältnis einvernehmlich beendet – ohne vorherige Kündigung. Beim Abwicklungsvertrag wurde zuvor gekündigt; man regelt nur noch die Modalitäten der Beendigung.
Mit Strategie zur Abfindung
Eine Abfindung ist kein Automatismus, sondern das Ergebnis geschickter Verhandlungen und kluger Vorbereitung. Wer ruhig bleibt, Fristen wahrt und sich professionell beraten lässt, holt das Beste für sich heraus.
"Ruhe bewahren, nichts überstürzen und beraten lassen" – das ist die wichtigste Empfehlung von Simone Weber.
🎧 Hören Sie die komplette Podcast-Episode mit Simone Weber für noch mehr Insights rund um Abfindung und Aufhebungsvertrag.
Shownotes:
Bei einer Kündigung durchlaufen Sie: Die 7 Phasen der Veränderung

